Wussten Sie, dass es seltene Farbfotos aus der Zeit um 1900 gibt — auch aus Rheinland-Pfalz? Zum Beispiel aus Traben-Trarbach. Die Doppelstadt links und rechts der Mosel ist hier in einem seltenen Farbfoto zu sehen.
»Traben wird von Jahr zu Jahr stadtartiger«
schreibt Karl Hessel um 1896. »Seine Straßen sind elektrisch beleuchtet. Große Gasthäuser und große Weinhandlungen sind allda. Und der Blick auf das gegenüberliegende Trarbach und den gewaltigen Gebirgsbogen umher ist jedenfalls großartiger und fesselnder, als der Blick von Trarbach herüber nach Traben.«
Moderne Errungenschaften erwähnen die Reiseführer von 1900 immer wieder. »Traben hat im Verein mit Trarbach als einer der ersten Orte der Rheinprovinz elektrische Straßen- und Hausbeleuchtung eingeführt«, heißt es da. Gerade in den dunkel-schummrigen Weinkellern kam das künstliche Licht zum Einsatz. Damit konnte man die produktiven Arbeitsstunden deutlich verlängern.
Fast alle Gewerbe und die meisten Wohnhäuser in Traben und in Trarbach waren um 1900 ans elektrische Stromnetz angeschlossen. Das gab es sonst nur in großen Städten! Wieso konnten die Bürger sich das leisten?
Die Antwort heiĂźt Wein. Denn die Winzer von der Mosel exportierten um 1900 ihren Wein fast in die ganze Welt. Ihr Riesling wurde nicht nur auf der Titanic mitgefĂĽhrt, sondern auch auf den riesigen Schiffen der HAPAG und des Norddeutschen Lloyd-Bremen. Auch in Berlin, Metz, London, New York, Asien und in den Kolonien wurde Moselwein ausgeschenkt.
»Der jährliche Versand von Wein ist sehr bedeutend«, notiert ein Reiseführer im Jahr 1898 knapp. »Infolge des ausgedehnten Weinhandels ist vor einigen Jahren daselbst [sogar] eine Reichsbank-Nebenstelle errichtet worden.« Traben sei »ein aufstrebender Flecken«, der »genau wie die schöne Schwesterstadt Trarbach« vom Weinhandel lebe.
Unter den Häusern der Schwesterstädte stieß bald Kellergewölbe an Kellergewölbe. In diesen ausgedehnten Lagern befanden sich 1899 mehr als 15.000 Fuder Wein; weitere 18.000 Fuder Wein versandten die Weinhändler im selben Jahr, und zwar per Schiff und per Eisenbahn. Im Jahr 1905 wurden von Traben-Trarbach aus dann sogar 65.000 Fuder — das sind 62.400.000 (!) Liter — Wein verschickt, weltweit. Und mit dem Export-Boom kam das Geld.
Jährlich mehr als 100 Millionen Goldmark Umsatz
Die Doppelstadt entwickelt sich damals zu einem der bedeutendsten Weinumschlagplätze des Reiches. Die genannte Bank-Filiale verzeichnete jährlich mehr als 100 Millionen (!) Goldmark Umsatz. 1904 vereinigten sich die beiden Orte zur neuen Stadt Traben-Trarbach, die heute bekannt ist für ihren unterirdischen Mosel-Wein-Nachts-Markt.

Public Domain aus der Library Of Congress in Washington D.C., USA
Wie datieren diese historischen Fotos?
Eingrenzen kann man die Entstehungszeit des Albums aufgrund einer Verlagsinformation: 1890. Einige Bauten auf den Bildern verraten dann das mögliche Schlussjahr. So ist am Moselufer der 1903er-Neubau des Hotels »Clauss-Feist« — heute Jugendstilhotel Bellevue — noch nicht zu sehen. Man sieht noch den Vorgängerbau. Erst einige Jahre später wird der imposante Jugendstil-Neubau mit dem charakteristischen Türmchen fertiggestellt sein. Also sind wir zeitlich vor 1903. — Auch ein weiteres, charakteristisches Bauwerk fehlt. Denn 1898/1899 wurde zwischen Traben und Trarbach die allererste Brücke über die Mosel errichtet. Diese Brücke bzw. deren Baustelle sind ebenfalls noch nicht zu sehen. Übersetzen über den Fluss musste man noch mit einer Fähre. Also stammen die Bilder aus den Jahren kurz zuvor: ich schätze daher 1890‒1898.
Bildnachweis: Blick von Trarbach nach Traben und umgekehrt. Bilder Nr. 6859-6860. Public Domain via Library Of Congress in Washington D.C.
Die zeitgenössischen Zitate stammen aus den Büchern von Karl Hessel: »Sagen und Geschichten des Moseltals«. Bonn, [1896], S. 87 sowie aus dem »Mosel- und Saarführer. Die Thäler der Mosel und der Saar«. Trier, zweite Auflage 1898, S. 79‒80.
Eine kompakte Form dieses Artikels erschien zuerst im Juni 2022 im Newsletter »Faszination Mosel«.
Traben-Trarbach | Der ZeitUNDReise-Ausflugstipp
- Leckeres moselfränkisches Essen gibt es in der historischen Zunftscheune in Traben, süße Köstlichkeiten in der Eismanufaktur Traben.
- In den Weinkellereien findet jedes Jahr ein unterirdischer Adventsmarkt statt, der Mosel-Wein-Nachts-Markt. Die stimmungsvoll beleuchteten Keller sind wirklich etwas ganz Besonderes zur Winterzeit. Was viele nicht wissen: Ein Shuttle-Bus bringt Besucher zu weiteren Adventsmärkten, z.B. nach Bernkastel-Kues. Ob dies in Zukunft wieder angeboten wird, finden Sie hier.
- Ganzjährig sehr zu empfehlen sind die Architektur-Rundgänge auf den Spuren des Jugendstils um 1900 und die Führungen in der »Unterwelt«. So nennen die lokalen Tourguides jene riesig-unterirdischen Kelleranlagen unter den beiden Ortsteilen, die letztlich als Rückgrat für den Weinhandel im großen Stil dienten. Damit ermöglichten sie die frühe, flächenmäßige Modernisierung in diesem Bereich der Mosel sowie die reich ausgeschmückten Bauwerke, die Traben-Trarbach bis heute prägen.